Mittwoch, 8. Juni 2011

Es ist eine merkwürdige Verleumdung, die der neuzeitliche Naturwissenschaftler ausspricht: der mittelalterliche Begriff des Weltalls sei der eines engen kleinen gewesen. [1] In einem der meistgelesenen Bücher des Mittelalters steht doch Folgendes geschrieben:
»Aus den Demonstrationen der Astrologie hat du erfahren, daß unsere Erde in ihrem ganzen Umfang nur als ein Punkt im Himmelsraum erscheint und daß man ihr im Vergleich zu der Unendlichkeit des Weltenraums eigentlich überhaupt keine Ausdehnung zusprechen kann.« [2]
Der mittelalterliche Gelehrte hielt das Weltall für unvorstellbar groß, nicht nur im Ausmaß, sondern auch in der Bedeutung. Der neuzeitliche Naturwissenschaftler hält dagegen das Weltall für überhaupt bedeutungslos, ausgenommen jenes kleinen Winkel desselben, worin er seine berufliche Laufbahn hat. [3] Da finden wir sicherlich ein beschränkter Kopf! Außerdem: »das Weltall wegen seines Ausmaßes zu bewundern ist sklavisch und irrwitzig.« [4]

. . .
1. Der gefeierte Witzbold Richard Dawkins sagt: “The universe presented by organised religion is a poky little medieval universe, and extremely limited.” [»Das von der Religion dargestellte Weltall ist ein enges kleines mittelalterliches Weltall, und äußerst eingeschränkt.«] Richard Dawkins, “A Survival Machine”, in The Third Culture, hrsg., J. Brockman (New York: Simon and Schuster, 1996), S.75.
2. Boethius Anicius Manlius Severinus, Der Trost der Philosophie, zweites Buch, am Netz auf www.pinselpark.org.
3. Die Bedeutung seiner Laufbahn und deren Ergebnisse müssen vermutlich außerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge stehen.
4. [“to admire the universe for its size is slavish and absurd.”] Bertrand Russell, “My Mental Development”, in Russell on Religion: Selections from the Writings of Bertrand Russell, hrsg. L. Greenspan and S. Andersson (London: Routledge, 1999), p.27. (Ein seltener Augenblick der Weisheit von diesem sehr klugen Mann. Aristoteles hätte ihn als interessantes Fallbeispiel betrachtet.)