Auch wenn der höchstmögliche Ausdruck der menschlichen Gesellschaft durch die Fortschrittslust erzielt werden könnte, wäre die Gesellschaft nur von kurzer Dauer, denn die Lust würde darauf beharren, daß noch weitere Schritte zu machen bleiben.
Sonntag, 12. Juni 2011
Mittwoch, 8. Juni 2011
Es ist eine merkwürdige Verleumdung, die der neuzeitliche Naturwissenschaftler ausspricht: der mittelalterliche Begriff des Weltalls sei der eines engen kleinen gewesen. [1] In einem der meistgelesenen Bücher des Mittelalters steht doch Folgendes geschrieben:
»Aus den Demonstrationen der Astrologie hat du erfahren, daß unsere Erde in ihrem ganzen Umfang nur als ein Punkt im Himmelsraum erscheint und daß man ihr im Vergleich zu der Unendlichkeit des Weltenraums eigentlich überhaupt keine Ausdehnung zusprechen kann.« [2]
Der mittelalterliche Gelehrte hielt das Weltall für unvorstellbar groß, nicht nur im Ausmaß, sondern auch in der Bedeutung. Der neuzeitliche Naturwissenschaftler hält dagegen das Weltall für überhaupt bedeutungslos, ausgenommen jenes kleinen Winkel desselben, worin er seine berufliche Laufbahn hat. [3] Da finden wir sicherlich ein beschränkter Kopf! Außerdem: »das Weltall wegen seines Ausmaßes zu bewundern ist sklavisch und irrwitzig.« [4]
. . .
1. Der gefeierte Witzbold Richard Dawkins sagt: “The universe presented by organised religion is a poky little medieval universe, and extremely limited.” [»Das von der Religion dargestellte Weltall ist ein enges kleines mittelalterliches Weltall, und äußerst eingeschränkt.«] Richard Dawkins, “A Survival Machine”, in The Third Culture, hrsg., J. Brockman (New York: Simon and Schuster, 1996), S.75.
2. Boethius Anicius Manlius Severinus, Der Trost der Philosophie, zweites Buch, am Netz auf www.pinselpark.org.
3. Die Bedeutung seiner Laufbahn und deren Ergebnisse müssen vermutlich außerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge stehen.
4. [“to admire the universe for its size is slavish and absurd.”] Bertrand Russell, “My Mental Development”, in Russell on Religion: Selections from the Writings of Bertrand Russell, hrsg. L. Greenspan and S. Andersson (London: Routledge, 1999), p.27. (Ein seltener Augenblick der Weisheit von diesem sehr klugen Mann. Aristoteles hätte ihn als interessantes Fallbeispiel betrachtet.)
Donnerstag, 2. Juni 2011
Freitag, 27. Mai 2011
Sonntag, 22. Mai 2011
Samstag, 21. Mai 2011
Sixtinische Kapelle, Anno Domini 1512. Michelangelo weist dem Papst Julius II. die Früchte seiner Arbeit.
Papst. Also—ah, ja, gut.
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit.
Papst. Das ist ganz . . . was ist das?
Michelangelo. Was?
Papst. Das . . . der große Klecks da.
Michelangelo. Gott, Eure Heiligkeit.
Papst. Gott?
Michelangelo. Ja, Sie wissen schon, reiner Akt, notwendiges Sein, unendlicher Grund aller—
Papst. Ja, ja, aber ich meine . . . das ist ein großer Klecks.
Michelangelo. Nun, da gibts eine ganze Reihe von Darstellungs-schwierigkeiten bei einem unkörperlichen—
Papst. Nein, nein, das geht ganz und gar nicht! Sie müssen das einfach richtig übermalen.
Michelangelo. Jawohl, Eure Heiligkeit.
Am darauffolgenden Dienstag
Papst. Na, was haben . . . aha!—ein strenggesichtiger Bursche mit Bart. Ja, ja, das ist schon besser!
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit.
Papst. Genau das Richtige. Und insgesamt nicht wenig.
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit, es ist nur eine Kleinigkeit.
Papst. Gar nicht, gar nicht. Nun also, betreffs meines Badezimmers . . .
Sonntag, 15. Mai 2011
Freitag, 13. Mai 2011
Donnerstag, 12. Mai 2011
Die große Unmenschlichkeit des Liberalismus besteht darin, daß es wunschbildlich gleichgültig dagegen ist, wie jedermann als bestimmter Mensch verkörpert ist. Vielmehr soll jedermann als völlig austauschbare Einheit in einem System, das alles nur in der Abstraktion hält, gleich (»gerecht«) behandelt werden. Rasse, Kultur, Geschlecht, Überlieferung, geschichtliche Beziehungen, gesellschaftliche Bindungen sollen ohne Bedeutung sein. Dergleichen sind im Namen der Freiheit und des Fortschritts zu verstecken oder zerstören; und wer diesem riesenhaften Übel im Weg steht, dieser unvergleichlichen Zerstörung und Gegebenheitsverdüsterung, und wer sich für den Stellenwert und die Eigentümlichkeit einer oder anderer dieser Seiten der Wirklichkeit ausspricht, der muß als übel und wahnhaft verachtet werden. Sogenannte gute und freie Menschen dagegen—mit anderen Worten: die Heerschar der dem Liberalentum unterworfenen Leibeigenen—sollen mit Rassenblindheit, mit Kulturneutralität, mit Gleichgültigkeit gegenüber dem Verstecken und der Zerstörung fast alles dessen, was für eigentümliche, verkörperte Menschen sorgt, prahlen; und das warme Gefühl, das ihnen dadurch verliehen wird, mag als Lohn dafür stehen, daß sie Dienst an etwas leisten, was nicht einmal um ihret-, auch nicht um der Gesamtmenschheit, sondern um der Wirksamkeit eines unpersönlichen Regimes willen vorliegt—und dies alles unter Anleitung eines unmenschlichen Wunschbildes.
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